Stelle dich doch kurz einmal selbst vor.
Mein Name ist Karin Erb und ich arbeite seit 7 Jahren bei der Beratungsstelle KOBRA Berlin. Das Projekt wird gefördert durch Mittel der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. Ich bin dort unter anderem verantwortlich für unsere Online-Werkzeuge auf www.wissen-was-ich-kann.de. Mit Unterstützung dieser Tools können Menschen ihr Können und Interessen reflektieren.
Mit welchem Angebot unterstützt Kobra die Frauen in der Hauptstadt?
KOBRA berät Frauen zu allen Aspekten der beruflichen Veränderung: zur Laufbahnentwicklung, zu beruflicher Neuorientierung, beim (Wieder-) Einstieg, der Suche nach Weiterbildungen oder Stellen sowie bei Bewerbungen. Aber wir helfen auch bei den Themen Eltern- und Pflegezeit. Alle Frauen, die in Berlin leben oder arbeiten, können zu KOBRA kommen. Außerdem bieten wir Workshops und Infoveranstaltungen an.
Welche Potenziale und Chancen siehst du in der Qualifizierung und Weiterbildung im IT-Bereich?
Durch die Digitalisierung ist der IT-Arbeitsmarkt größer und vielfältiger geworden, was zahlreiche neue Chancen birgt. Gerade in den letzten Jahren sind viele spannende Weiterbildungen im IT-Bereich entstanden. Aber ich merke auch, dass es mitunter zu wenig Wissen über die vielfältigen Berufsbilder gibt. In meinen Augen ist der Aspekt der Teilhabe deshalb ganz zentral, wenn wir über Qualifizierung sprechen! Der Arbeitsmarkt digitalisiert sich zunehmend. Es wird nicht mehr eine Frage von Interesse, sondern von Notwendigkeit sein, Kompetenzen im digitalen Bereich vorzuweisen. Frauen wird oft immer noch geraten, klassische Berufswege einzuschlagen. Wir wollen in unseren Beratungen deswegen zusätzlich verdeutlichen, dass Digitalisierung auch in sehr vielen Bereichen Anwendung findet, an die man vielleicht im ersten Moment nicht denkt. Ich denke da z.B. an die Schnittstellen zu sozialer, therapeutischer oder politischer Arbeit. Ich beobachte aber auch, dass der Einstieg oder die Praktikumsplatzsuche manchmal schwierig ist. Da braucht es mehr Unterstützung seitens der Weiterbildungsträger.
Gibt es nach wie vor Skepsis gegenüber diesem Arbeitsfeld?
Ja. Viele denken, dass sie für den erfolgreichen Einstieg Informatik studieren müssten. Und es ist eben nach wie vor eine Branche, die als männerdominiert wahrgenommen wird. Dies besprechen wir in der Beratung.
Hast du dennoch oft Kontakt mit Frauen, die die nötigen Kompetenzen für einen Job in der Digitalwirtschaft mitbringen?
Ja, definitiv. Zu unseren Beratungen kommen Frauen mit facettenreichen Kompetenzen, die auch in der Digitalbranche von Vorteil sind. Vielen Menschen fällt es schwer, in einer Phase der Neuorientierung die eigenen Kompetenzen zu erkennen. Dabei ist es so wichtig, diese zu ermitteln, um Ideen zu finden, wo es beruflich hingehen kann. Ich denke, dass viele Frauen ihre Skills als selbstverständlich wahrnehmen oder für nichts Besonderes halten. Alle Frauen, die mit dem PC arbeiten, haben digitale Kompetenzen, warum sollten diese also nicht vertieft werden?
Gerade auch bei Akademikerinnen besteht viel Potenzial. Die Lehre von Inhalten mit Tech-Bezug gehören inzwischen zu jedem Studium. Das Ganze wurde auch verstärkt durch die Online-Lehre während der Pandemie. Als Beratungsstelle wollen wir gezielt darauf hinweisen und die Frauen bei diesem Findungsprozess unterstützen. Hilfreich ist dazu z.B. unser Online-Tool. Mittels Selbstreflexion können Menschen sowohl berufliche als auch übertragbare Fertigkeiten ermitteln und sich außerdem zwei Fremdeinschätzungen einholen.
Wie werden Veranstaltungen mit Bezug zu Tech-Themen von euren Klient*innen angenommen?
Durch die Digitalisierung und die Entstehung von interessanten Projekten und Weiterbildungen haben wir diverse Veranstaltungen in unser Portfolio aufgenommen, um Frauen für die Branche zu motivieren, in der es nach wie vor zu wenig weibliche Arbeitskräfte gibt. Das ist zum einen unsere Kooperation mit Tech in the City e.V., in der wir Info-Veranstaltungen anbieten mit Themen wie Einstieg und Orientierung oder dem digitalen Bewerbungsprozess. Diese werden gut angenommen, deswegen haben wir außerdem eine Kooperation mit Frau und Beruf aufgenommen: unsere Küchentischgespräche, in denen Frauen ihren Job in der IT vorstellen.
Welche Herausforderungen gilt es zu bewältigen, wenn es um die Gleichberechtigung am Arbeitsplatz geht?
Da fallen mir viele ein, die auch für den IT-Bereich zutreffen!
Daraus resultieren auch Forderungen – etwa die Sicherstellung, dass Algorithmen im Rahmen von Personalauswahl oder anderen Kontexten nicht diskriminieren. Oder auch, dass Frauen konsequent an der Entwicklung und Umsetzung mobiler Arbeitsprozesse beteiligt werden. Nicht zuletzt müssen sich zusätzliche Fähigkeiten und Qualifikationen auch in der Bezahlung widerspiegeln.
Gibt es eine Erfolgsgeschichte einer Woman in Tech, die du mit uns teilen kannst?
Im Rahmen einer Beratung hatte ich Kontakt mit einer Geisteswissenschaftlerin, die durch Krankheit länger raus aus dem Job war. Sie hatte das Gefühl für ihre Kompetenzen verloren. Wir haben anhand der Online-Werkzeuge festgestellt, dass sie eine Vielfalt an Schlüsselqualifikationen besitzt, wie z.B. eine große Lernbereitschaft, die auch für das Erlernen von Programmiersprachen wichtig ist. Auch im Rahmen einer Beratung bei der Agentur für Arbeit wurde ihr zum Quereinstieg geraten. Nach einem Orientierungskurs, in dem sie die Grundlagen des Programmierens lernte, entschied sie sich für eine Weiterbildung als Webentwicklerin.
In einem anderen Beratungsfall begleitete ich eine Erzieherin, die immer schon gut in Mathe war und sich für den Bereich interessierte. Im Rahmen einer Neuorientierung begann sie ein Studium der Fachinformatik.